Carl Reichert: Meister des Hundeporträts

Carl Reichert (1836-1918) war ein außergewöhnlicher österreichischer Maler, der für seine detaillierten und lebensechten Hundeporträts berühmt wurde. Seine Werke sind nicht nur ästhetisch ansprechend, sondern auch wertvolle historische Dokumente der Hundezucht im 19. Jahrhundert. In diesem Beitrag werfen wir einen ausführlichen Blick auf das Leben und Werk dieses bemerkenswerten Künstlers.

Frühe Jahre und künstlerische Ausbildung

Carl Reichert wurde am 27. August 1836 in Wien geboren. Er wuchs in einem künstlerischen Umfeld auf – sein Vater, Heinrich Reichert, war selbst Maler, Grafiker, Fotograf und Musiker. Diese kreative Atmosphäre hatte einen prägenden Einfluss auf den jungen Carl und seine Geschwister.

Nach dem frühen Tod seiner Mutter zog die Familie mehrmals zwischen Wien und Graz hin und her. In Graz erhielt Carl seine erste formelle künstlerische Ausbildung an der Ständischen Zeichnungsakademie. Doch den größten Einfluss auf seine künstlerische Entwicklung hatte zweifellos sein Vater, der großen Wert auf eine gründliche Ausbildung seines Sohnes legte.

Der Weg zum Hundemaler

Reichert begann seine Karriere als Landschaftsmaler und Vedutist. Er unternahm ausgedehnte Wanderungen durch die Steiermark, um Skizzen von Gebäuden und Landschaften anzufertigen. Diese frühen Arbeiten bildeten die Grundlage für sein grafisches Hauptwerk „Einst und Jetzt“, eine umfangreiche Serie von Lithografien.

Die Wende in Reicherts Karriere kam durch eine zufällige Begegnung mit Baron Hügel und dessen Gemahlin. Der Baron beauftragte Reichert, seine Vorstehhunde zu malen. Der Erfolg dieses Bildes öffnete ihm die Türen zum kaiserlichen Hof in Wien und leitete Reicherts Übergang zum Tiermaler ein.

Hundeporträts für Kaiserin Elisabeth

Ein Höhepunkt in Reicherts Karriere war der Auftrag, die Hunde der Kaiserin Elisabeth zu malen. Diese Bilder, von denen elf erhalten sind, zeigen Reicherts außergewöhnliche Fähigkeit, die individuelle Persönlichkeit und die Rasseeigenschaften jedes Hundes einzufangen.

Die Porträts der kaiserlichen Hunde, darunter Irische Wolfshunde, Doggen und Windhunde, sind bis heute im Sisi Museum in der Wiener Hofburg zu bewundern. Sie zeugen nicht nur von Reicherts künstlerischem Talent, sondern auch von der Vorliebe der Kaiserin für große, imposante Hunde – ein ungewöhnlicher Geschmack für eine Dame ihrer Zeit.

Meisterhafte Technik und Detailtreue

Reicherts Hundeporträts zeichnen sich durch ihre beeindruckende Detailtreue und technische Perfektion aus. Er malte meist in kleinen Formaten – seine Hundeporträts messen oft nur 13 bis 15 Zentimeter in der Breite und 16 bis 18 Zentimeter in der Höhe. Diese Miniaturformate machen seine Fähigkeit zur präzisen Darstellung noch beeindruckender.

Seine Bilder zeigen nicht nur die äußere Erscheinung der Hunde, sondern fangen auch ihr Wesen und ihren Charakter ein. Reichert hatte ein besonderes Talent dafür, den Ausdruck in den Augen der Hunde einzufangen, was seinen Porträts eine bemerkenswerte Lebendigkeit verleiht.

Vielfalt der dargestellten Rassen

In Reicherts Œuvre finden sich Porträts zahlreicher Hunderassen, wobei einige besonders häufig vertreten sind.

Bernhardiner

Die majestätischen Bernhardiner, bekannt für ihren Einsatz als „Lebensretter“ auf dem Großen St. Bernhard, malte Reichert oft in ihrer vollen Pracht. Ihre imposante Größe und attraktive Färbung machten sie zu beliebten Begleitern wohlhabender Bürger.

Porträt eines Bernhardiners

Künstler: Carl Reichert (1836 Wien – 1918 Graz)
Datum: Wien um 1900
Technik: Öl auf Mahagoniholz
Maße: H 16 x B 13 cm
Signatur: unten rechts „C. Reichert.“

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Dogge

Neben den Bernhardinern waren Doggen, nach den Dackeln, die häufigsten Motive in Reicherts Werk. Ursprünglich als Hunde des Adels für Jagd und Begleitung gezüchtet, zeigen Reicherts Darstellungen Doggen, die im Vergleich zu modernen Exemplaren noch deutlich kleiner und weniger schwer waren.

Porträt einer Dogge

Künstler: Carl Reichert (1836 Wien – 1918 Graz)
Datum: Wien um 1900
Technik: Öl auf Mahagoniholz
Maße: H 16 x B 13 cm
Bezeichnung: signiert l.u.: „C. Reichert.“

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Neufundländer

Der Künstler fing auch den sanften Charakter der Neufundländer meisterhaft ein, wobei besonders die schwarzweiße Variante, auch „Landseer“ genannt, beliebt war. Reicherts Porträts dieser Rasse strahlen Adel und Sanftmut aus.

Porträt eines Neufundländers

Künstler: Carl Reichert (1836 Wien – 1918 Graz)
Datum: Wien um 1900
Technik: Öl auf Mahagoniholz
Maße: H 16 x B 13 cm
Bezeichnung: signiert r.u.: „C. Reichert“

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Dobermann

Interessant sind auch seine Darstellungen von Dobermännern, die die Rasse in ihren frühen Entwicklungsstadien zeigen. Diese Bilder, vermutlich kurz nach 1900 entstanden, zeigen Hunde, die zwar noch einige pinscherhafte Züge aufweisen, aber eindeutig als Dobermänner zu erkennen sind.

Französische Bulldogge

Reicherts Bilder von Französischen Bulldoggen sind besonders wertvoll, da sie das Aussehen dieser Rasse um 1900 dokumentieren. Die dargestellten Hunde unterscheiden sich deutlich von modernen Exemplaren: Sie haben höhere Läufe, eine relativ lange Nase und eher spitze Ohren, noch ohne die heute charakteristischen „Fledermausohren“. Sie vermitteln den Eindruck sehr vitaler und agiler Hunde.

Pudel

Pudel, die „Modehunde“ des 19. Jahrhunderts schlechthin, malte Reichert oft mit natürlicheren Frisuren als die heute üblichen Schurformen. Die Tatsache, dass er manche Pudelmotive mehrmals malte, lässt auf eine hohe Nachfrage schließen.

Collie

Seine Collie-Porträts sind besonders interessant, da sie den Wandel der Rasse vom Arbeitshund zum Showdog dokumentieren. Reichert stellte sowohl den alten Arbeitstyp als auch den neuen „Showtyp“ dar, was die rasante Entwicklung dieser Rasse im späten 19. Jahrhundert veranschaulicht.

Terrier

Terrier stellte Reichert oft in humorvollen Szenen dar. Er malte unter anderem die einst berühmten White Terrier und Black and Tan Terrier, die heute in dieser Form nicht mehr existieren. Die Darstellungen zeigen oft kupierte Ohren, was dem damaligen Modegeschmack entsprach.

Dackel

Dackel waren die häufigsten Motive in Reicherts Werk und besonders beliebt auf Postkarten. Er stellte sie in Porträts, Gruppenbildern und karikierenden Szenen dar, wobei die Farben Rot und Schwarzrot dominierten.

Doppelporträt zweier Dackelwelpen

Künstler: J. Hartung
Datum: Wien um 1900
Technik: Öl auf Leinwand
Maße: 64 cm x 56,5 cm (mit Rahmen)
Bezeichnung: signiert r.u.: „J. Hartung“

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Bloodhound

Reicherts Porträts von Bloodhounds zeigen die typischen Merkmale dieser Rasse ohne moderne Übertreibungen. Er stellte die charakteristischen Falten auf dem Kopf und an den Wangen, den tiefen Fang, gedrehte Behänge und etwas melancholische Augen dar.

Setter

Bei den Settern malte Reichert besonders häufig den Gordon Setter, wobei seine Darstellungen sich vom modernen Typ durch einen eher kurzen und breiten Fang sowie relativ hoch angesetzte und kurze Behänge unterscheiden.

Porträt eines Gordon Setters

Künstler: Carl Reichert (1836 Wien – 1918 Graz)
Datum: Wien um 1900
Technik: Öl auf Mahagoniholz
Maße: H 16 x B 16 cm
Bezeichnung: signiert r.u.: „C. Reichert.“

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Spaniel

Die Spaniel in Reicherts Werk, vor allem Englische Springer Spaniel, zeigen den ursprünglichen Arbeitstyp dieser Jagdhunde.

Deutscher Vorstehhund

Seine Bilder von Deutschen Vorstehhunden dokumentieren den älteren, schwereren Typ, noch ohne die später charakteristische „Schimmelung“ des Fells.

Porträt eines Deutschen Vorstehhundes

Künstler: Carl Reichert (1836 Wien – 1918 Graz)
Datum: Wien um 1900
Technik: Öl auf Mahagoniholz
Maße: H 16 x B 13,5 cm
Bezeichnung: signiert r.u.: „C. Reichert.“

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Windhund

Windhunde malte Reichert mit bemerkenswerter Eleganz, wobei er sowohl kupierte als auch unkupierte Exemplare darstellte.

Porträt zweier Windhunde

Künstler: Carl Reichert (1836 Wien – 1918 Graz)
Datum: Wien um 1900
Technik: Öl auf Mahagoniholz
Maße: H 16 x B 16 cm
Bezeichnung: signiert r.o.: „C. Reichert.“

Deutscher Schäferhund

Interessanterweise finden sich in Reicherts Werk nur wenige Porträts von Deutschen Schäferhunden, was darauf zurückzuführen ist, dass diese Rasse erst zu Beginn des 20. Jahrhunderts ihren Siegeszug antrat.

Bullterrier

Auch Bullterrier sind selten vertreten, aber die wenigen Darstellungen dokumentieren das Aussehen dieser Rasse um die Wende vom 19. zum 20. Jahrhundert, als sie sich gerade erst auf dem europäischen Kontinent zu verbreiten begann.

Reicherts vielfältiges Werk bietet somit einen einzigartigen Einblick in die Hundewelt seiner Zeit. Seine detaillierten und lebendigen Darstellungen verschiedener Rassen sind nicht nur künstlerisch wertvoll, sondern auch historisch bedeutsam. Sie zeigen die Hunde in einer Epoche, in der viele moderne Rassestandards gerade erst entstanden oder sich noch in der Entwicklung befanden, und machen Reicherts Œuvre zu einer unschätzbaren Quelle für die Geschichte der Hundezucht und -haltung.

Humorvolle und charaktervolle Darstellungen

Neben den klassischen Porträts schuf Reichert auch humorvolle Darstellungen, besonders von Dackeln und Terriern. Diese Bilder zeigen seine Fähigkeit, den verspielten und manchmal komischen Charakter der Hunde einzufangen, ohne dabei ihre Würde zu verletzen. Reichert hatte ein besonderes Talent dafür, Hunde in menschenähnlichen Situationen darzustellen, was seinen Werken oft einen charmanten, leicht karikaturistischen Anstrich verleiht.

Jagdhunde und Jagdszenen

Reichert malte auch eindrucksvolle Jagdszenen und Stillleben mit Jagdhunden. Diese Werke zeigen seine Vielseitigkeit als Künstler und seine Fähigkeit, Hunde in Aktion darzustellen. Seine Jagdstillleben, oft mit erlegtem Wild und Jagdausrüstung arrangiert, stehen in der Tradition der großen Jagdmaler des Barock, sind aber intimer und weniger prächtig gestaltet.

Stillleben mit Jagdhunden

Künstler: Carl Reichert (1836 Wien – 1918 Graz)
Datum: Wien um 1890
Technik: Öl auf Leinwand
Maße: H 51,5 x B 44,5 cm
Bezeichnung: signiert r.u.: „C. Reichert. Wien 890“

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Reicherts künstlerische Entwicklung und Stil

Reicherts Stil entwickelte sich im Laufe seiner Karriere stetig weiter. Seine frühen Werke zeigen noch den Einfluss seines Vaters und seiner akademischen Ausbildung. Mit der Zeit entwickelte er jedoch seinen eigenen, unverwechselbaren Stil, der sich durch eine Kombination aus präziser Beobachtung und einfühlsamer Interpretation auszeichnet.

Bemerkenswert ist, dass Reichert sich bewusst von den modernistischen Strömungen seiner Zeit fernhielt. Während in Wien Künstler wie Gustav Klimt und Egon Schiele die Kunstwelt revolutionierten, blieb Reichert seinem realistischen Stil treu. Diese Entscheidung mag dazu beigetragen haben, dass sein Werk heute weniger bekannt ist als das seiner avantgardistischen Zeitgenossen, macht es aber zu einem wertvollen Zeugnis der traditionellen Malerei des späten 19. Jahrhunderts.

Reicherts Erbe und Bedeutung

Carl Reicherts Werk erfreute sich zu seinen Lebzeiten großer Beliebtheit und erreichte durch Reproduktionen auf Bildpostkarten ein breites Publikum. Der Kunstverlag Theo Stroefer in Nürnberg reproduzierte etwa 100 seiner Motive auf Postkarten, die im gesamten deutschen Sprachraum Verbreitung fanden.

Heute sind Reicherts Originalgemälde begehrte Sammlerstücke, die nicht nur für ihre künstlerische Qualität, sondern auch für ihren historischen und kynologischen Wert geschätzt werden.

Reicherts Hundeporträts sind mehr als nur schöne Bilder – sie sind ein Fenster in die Welt der Hundezucht und -haltung im 19. Jahrhundert. Seine Werke kombinieren künstlerische Exzellenz mit historischer Bedeutung und bleiben bis heute faszinierend für Kunstliebhaber und Hundeenthusiasten gleichermaßen.

Schlussbetrachtung

Carl Reichert war zweifellos ein Meister seines Fachs. Seine Fähigkeit, die Essenz jeder Hunderasse einzufangen, gepaart mit seiner technischen Brillanz und seinem Gespür für Charakterdarstellung, machen ihn zu einem der bedeutendsten Tiermaler seiner Zeit. Obwohl er vielleicht nicht die Bekanntheit einiger seiner Zeitgenossen erlangt hat, ist sein Beitrag zur Kunst- und Kulturgeschichte unbestreitbar.

Reicherts Werk ist ein Schatz für alle, die sich für Hunde, Kunst oder die Geschichte des 19. Jahrhunderts interessieren. Es lädt uns ein, die Welt durch die Augen eines Künstlers zu betrachten, der seine Subjekte nicht nur sah, sondern wirklich verstand und liebte. In jedem seiner Pinselstriche spürt man seine Leidenschaft für Hunde und seine Hingabe an seine Kunst – ein Erbe, das auch heute noch, mehr als ein Jahrhundert nach seinem Tod, lebendig und inspirierend ist.

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